Vortrag am Tag der offenen Tür am 29.4.07

Ich möchte Ihnen heute etwas über das Besondere des Malens im Malatelier erzählen und über das Bild als ein Geheimnis sprechen.
Aber zuerst zum Ort, zum Malatelier. Manche werden sich wundern, dass das Ausdrucksmalen in einem Keller mit künstlichem Licht stattfindet. Atelier, das klingt doch nach großen, Licht durchfluteten Räumen!

Aber wir betreiben diese Art des Malens, das Ausdrucksmalen, in Räumen, die fast völlig abgeschirmt sind vom Außen. Es soll eine Aufforderung sein, nach Innen zu gehen, im Inneren seine eigenen Bilder, seine Seelenbilder zu entdecken.

Begonnen hatte mit dieser Art des Malens Arno Stern, der diesen Malort auch „clos lieu“ nannte. Er ist Jude, und musste in der Nazizeit, noch ein Kind, mit seiner Familie emigrieren. Er hat später in Paris das Ausdrucksmalen entwickelt. Malen in einem abgeschiedenen Raum, die Wände mit Platten verkleidet, an die man das Malpapier anheften kann. Mit einem Palettentisch mit den vielen Farben und den bereitliegenden Pinseln, die einen direkt auffordern, mit dem Malen zu beginnen.

Arno Stern ließ die Kinder – vor allem mit Kindern arbeitete er – einfach malen. Seine Einmischung bestand lediglich darin, dass er die Reißzwecken versetzte, das Papier straffte, ein neues Blatt aufhängte. Es gab keine Fragen oder Ratschläge. Die Schweizerin Bettina Egger, bei der ich gelernt habe, entwickelte das Ausdrucksmalen weiter. Wenn die Malenden beim Malen nicht weiterkommen, werden Gespräche geführt, um herauszufinden, wo es hakt.

Das zum Hintergrund, wie sich das Ganze entwickelt hat.

Wie Sie bestimmt schon herausgehört haben, ist hier eine besondere Auffassung vom Bild vorhanden. Es geht nicht darum, ein schönes, ansprechendes Bild zu malen, womöglich noch für andere oder gar „Kunst“ zu machen. Nein, es geht darum, den Menschen einen Ort zur Verfügung zu stellen, einen Raum zu öffnen, an dem es um ihre Bilder geht.

Was soll das heißen? Wir sind umgeben von einer Bilderflut. Fernsehen, Kino, Werbung…. Es ist endlos und allgegenwärtig. Und in dieser Sintflut von Bildern verlieren wir uns oft. Wir übernehmen Bilder anderer, versuchen uns nach denen zu modellieren und vergessen dabei unsere ganz eigene Bilderwelt, die ein Ausdruck unserer Seele ist. Die Folge ist, dass wir gar nicht mehr wissen, wer wir sind. Wir verlieren uns.

Indem wir unsere Bilder malen, bekommen wir zu einem sehr wesentlichen Teil unseres Selbst wieder Kontakt. Wir spüren etwas, werden berührt von einer Blumen oder einer Farbe, einer Form. Ohne dass wir sagen können, warum das geschieht. Es ist einfach da und oft wunderschön, man fühlt sich wieder lebendig. Aus diesem Grund ist es normaler Weise so, dass die Malenden im Malatelier nicht bestimmte Bildideen umsetzen oder Bildaufträge bekommen. Das ist eine ganz andere Sache, wenn man eine Idee hat und diese auf dem Blatt möglichst genau, eins zu eins umsetzen will. Nein, hier geht es darum, sich auf das Abenteuer Bild einzulassen und im Dialog oder im Kontakt mit der Bildfläche das Bild dieses Moments zu finden. Manchmal beginnt man mit einer Farbe, die einem durch den Sinn geht, manchmal mit einem Detail und schon nimmt einen der Malprozeß gefangen oder besser, er zieht das ganze Interesse auf sich. Man taucht ein und gibt sich dem Bild hin. Ja, Malen hat etwas mit Hingabe zu tun. Es geht weniger um mein Ego, was ich will, was mir gefällt, als darum, herauszufinden, was das Bild will.

Ich will Ihnen jetzt die Entstehung eines Bildes demonstrieren. Da ich den Malprozeß der Malenden nicht in jedem einzelnen Schritt festhalten kann – das würde das Malen zu sehr stören – habe ich mich selbst ins Malatelier gestellt und zwischendurch immer ein Foto geschossen.